Die „Cahiers d’images“ von documentation céline duval und Hans-Peter Feldmann (2001-2002)
Die Studie einer intergenerationellen Zusammenarbeit und die zeitgenössische ikonografische Praxis im Künstlerbuch. Masterarbeit, IMKM, 2014 *
The text was originally written in German.
Please apologize for the absence of translation
„Prends garde: tout s’affaiblit, tout disparaît. De nous il faut que quelque chose reste...“1
Erinnerung und Schaffen, Fiktion und Bild, Verlangen und Kunst, verkörpern im Hinblick auf Bretons Werke die Reihe von Künstlerbüchern „Cahiers d’images“ (2001- 2002), das Ergebnis einer flüchtigen und künstlerischen Begegnung zwischen Hans-Peter Feldmann und documentation céline duval. Nach ihrer Ausbildung an der Ecole des Beaux Arts von Rennes arbeitet die 1974 geborene französische Künstlerin documentation céline duval als Ikonografin bei einer Zeitung, als sie beginnt, parallel dazu ihre Bilddatenbank mit Aufnahmen aber auch Amateurfotografien, Postkarten, Werbeplakaten, Pressebilder etc. anzulegen. 1999 mit der Schaffung ihres Kleinunternehmen registriert sie ihren Künstlernamen „documentation céline duval“ als eine Unterschrift, die sie auf ihre Werke mit einem Stempel setzt2. Sie sammelt und ordnet Bilder, spielt mit Stereotypen, und versucht damit eine neue Sprache zu schaffen. Von 2001 bis 2009 veröffentlicht sie selbst die „Revue en 4 images“ und schafft eines ihrer Meisterwerke „Les Allumeuses“3. Seit ihrer ersten vom Kurator Hans-Ulrich Obrist betreute Ausstellung „Migrateurs“ (2002) im Musée d’Art Moderne der Stadt Paris, hat sie durch vielfältige kollektive Ausstellungen internationale Anerkennung gewonnen4. Die Künstlerin lebt und arbeitet jetzt in Houlgate, am Meer – in Frankreich. Mit ihrem deutschen Pendant Hans-Peter Feldmann, 1941 in Hilden geboren, teilt sie nicht nur diese Besessenheit für Bilder. Eine künstlerische Ausbildung über die reine Fotografie hinaus haben sie ebenfalls gemeinsam5. Als er seine Heimat 1973 verlässt, um nach Düsseldorf zu ziehen, entdeckt er einen der wichtigsten künstlerischen Standorte Europas, der dank der Aura der Kunstakademie und ihrer zahlreichen Lehrern – wie Joseph Beuys – als ein Anziehungszentrum gilt. Die traditionellen Ideen der Kunst werden aufgelöst, das Leben und die Kunst an einem Ort versammelt6. „Die Kunstszene des Rheinlandes [...] wird zum Nährboden für Feldmanns Auseinandersetzung mit dem noch traditionell definierten Kunstbegriff seiner Gemälde7.“ Ab Ende der sechziger Jahre wird fotografisches Material zum Grundelement seiner Arbeit. Seit dieser Zeit bis zum Beginn der achtziger Jahre, als sein subversiver Standpunkt über seinen Künstlerstatus ihn führt, sich aus der künstlerischen Szene zurückziehen8, beschränkt sich seine Arbeit auf das Schaffen der kleinen grauen „Bilder“ Hefte9. Seit er wieder künstlerisch aktiv geworden ist10, hat der Künstler nicht mehr aufgehört, mit seinem persönlichen Mythos zu spielen11. So zum Beispiel ist es schwer eine ausführliche Liste seiner Ausstellungen zu erhalten sowie die gesamte Liste seiner Veröffentlichungen. Als einer der berühmtesten Künstler dieser Zeit, welcher mit in Künstlerbüchern arrangierten Bilder gearbeitet hat und der diese neue Praxis vor allem im Museum durchgesetzt hat, scheint die Herausforderung sehr hoch, sein Interesse zu erwecken. So könnte man den Versuch von documentation céline duval, ihn zu kontaktieren, erst bewerten, wenn man den Bericht dieses Treffens im Katalog „272 Pages“ berücksichtigt12. Weder der Name der jungen Künstlerin noch die Folgen sind im Bericht erwähnt. Die Entdeckung des mehrfach veröffentlichten Buch „Voyeur“13 von Feldmann hat schon, als sie noch an der Beaux Arts war, ihre Ansichten mit gefundenen Bildern zu arbeiten, bestätigt14. Ihr wird nämlich bewusst, dass sie dieser Bilderleidenschaft nicht alleine nachgeht. Trotz dessen, was die Erzählung von Feldmann daran glauben lassen kann15, stellen das Treffen und dann die Zusammenarbeit für „Cahiers d’images“ jedoch vielmehr die Geschichte eines echten künstlerischen Austauschs dar, als einen einmaligen Versuch, ein Kunstprojekt mit seinem Pendant zu entwickeln.
Céline Duval, Hans-Peter Feldmann, „Cahiers d’images“, Düsseldorf 2001-2002, Bibliothèque nationale de France Paris.
Die Genese von „Cahiers d’images“
Dank einer Idee von Pierre Leguillon16 beginnt documentation céline duval an, für „Ohio“17 Bilder von rauchenden Personen zu sammeln.
„A cette époque, j’avais déjà un certain nombre d’images, des cartes postales, des photographies amateurs, des images découpées dans des magazines, j’avais déjà mis en place une pratique. Dès que je trouvais une image de fumeur, je la mettais de côté. Cela se déroulait chez Pierre, chez qui il y avait une enveloppe au nom de Feldmann. Ce travail a duré plus d’un an, l’enveloppe grossissait mais il ne lui envoyait pas18.“
Als Pierre Leguillon im Namen von documentation céline duval den Umschlag voller Bildern an Hans-Peter Feldmann schickt, sendet der Künstler den Brief zurück, weil er ein so „wertvolles Geschenk“ nicht akzeptieren kann19. Ein Jahr später im Rahmen eines Kolloquiums in Nantes schenkt sie ihm ein ganzes Heft mit den Bildern, die Pierre Leguillon im zuvor geschickt hatte.
„J’étais très timide à l’époque, je n’arrivais pas à aller le voir. Mais une complicité s’est très vite créée, il a souhaité que l'on dîne ensemble, il s’était un peu ‚'aimanté’. Puis il m’a expliqué qu’il allait exposer à Chatou et me demanda si je souhaitais y participer20.“
Der französische Sammler und Freund von documentation céline duval Maxime Sigaud21 ist ebenfalls in Chatou eingeladen. Er hatte die alten Tagebücher, in welche sie als Jugendliche Bilder eingeklebt hatte, für seine Sammlung eingekauft. Maxime Sigaud legt Hans-Peter Feldmann diese home made Hefte vor, welche ihm sofort gefallen.
„Feldmann voulut à son tour les acheter, pour ensuite vouloir me les rendre la dernière fois que je l’ai vu ! Feldmann collectionne aussi les home made. Je raconte ceci car cette histoire est à l’origine de nos Cahiers d’images, dans l’esprit des cahiers que les gens font chez soi mais qui ne sont pas destinés à être publiés22.“
Am Ende der Ausstellung bietet Hans-Peter Feldmann documentation céline duval an, ein Buch mit ihm zu kreieren. Als Hans-Peter Feldmann und documentation céline duval zum ersten Mal anlässlich ihrer Anwesenheit für „Jean-Pierre Magazine“23 zusammen auf einem Pariser Flohmarkt gehen und entdecken, dass sie eine gemeinsame Vorliebe für Bilder, mit springenden Leuten als Motiv, haben, wissen sie noch nicht, dass sie gemeinsam in zwei Jahre sieben Bücher gestalten werden. Das Thema des Sprungs, das im ersten Heftes verarbeiten sein sollte, erscheint erst ab Nummer 5. Also stellt sich nun die Frage, wie sich die Zusammenarbeit entwickelt hat.
Während der ersten Reise von Céline Duval nach Düsseldorf entsteht die Sorge, dass die Umsetzung eines richtigen Buches kompliziert sein wird, weil sie dafür einen Herausgeber und Geld bräuchten.
„Il me montre un document américain en photocophie, un Xerox Book, déjà très en vogue aux Etats-Unis dans les années soixante, m’expliquant qu’il travaille avec un copy shop à Düsseldorf et qu’on pourrait plutôt faire quelque chose dans cet esprit. J’avais prévu de rester cinq jours24.“
Sie veröffentlichen die Hefte also selber, in kurzer Zeit und mit wenig Geld. Sie bezahlt ihre Reise und er kümmert sich um die Druckkosten. Obwohl die Reihe bestimmten formellen Regeln entspricht, zeichnet sich jedes Heft durch ein bestimmtes Thema und individuelle Konzepte aus. Jedes Heft stellt ein neues Kapitel der Geschichte von den „Cahiers d’images“ dar. Ohne festes Cover und ohne Texte, tragen die Hefte teils farbige teils schwarz-weiße Aufnahmen zusammen, aber auch gefundene, gesammelte, selbstgemachte Schnappschüsse. Darüber hinaus inszenieren sie auch ihre eigenen persönlichen Aufnahmen, wie wir sehen werden.
Céline Duval, Hans-Peter Feldmann, „Flying“, SS. 26-27.
Einige Definitionen
Die Bilder stehen im Mittelpunkt einer Vorgehensweise, die in den „Cahiers d’images“ exemplarisch eingesetzt wird. Als Snaphshots, Schnappschüsse, Knipserfotografie25, Amateuraufnahmen, Fotografien aus dem Alltag, gefundene Bilder usw. bezeichnet, ist der französische Begriff von „photographie vernaculaire“besonders aussagekräftig für unsere Auseinandersetzung. Das Wort „vernaculaire“ (auf deutsch „umgangssprachlich“, „alltäglich“) geht auf das Lateinische verna zurück, das „Sklave“ bedeutet. „Vernaculaire“ wurde zugleich von Clément Chéroux26 mit einem Gebrauchs- und Hauswert sowie als heterotopisch27 gekennzeichnet. Diese Definition klärt auf, dass diese Fotografien in einem alltäglichen Kontext geschaffen sind. So können sie ihre ursprünglichen Werte als Laienfotografien verlieren, als sie von diesem alltäglichen Kontext entledigt werden. Außerdem erscheint die Wahl dieses Begriffs wichtig, denn damit können die von den Künstlern realisierten Aufnahmen auch in der Analyse berücksichtigt werden28. So definiert kann man den Begriff der „Laienfotografie“ verwenden, der „vernaculaire“ am nächsten zu kommen scheint. Seit der Zeit der Avantgarde haben sich die Künstler für diese Art von Bildern interessiert, weil sie ihnen erlaubt haben, außerkünstlerische Praxis in ihrer Kunst einzuführen. Eine besondere Art von Anwendung prägt diese Bilder. „Le vernaculaire n’est pas de l’art et c’est précisément pour cette raison qu’il permet de le redéfinir29“. So wie die Anreize für das Alltägliche die Grenzen der Fotografie überspringen, schreibt sich die Praxis der beiden Künstler in einer weiteren künstlerischen Vorgehensweise ein. Sie sind nämlich keine Fotografen, und ihre Kunst erhält ihre Bedeutung durch die Veröffentlichung und das Format des Buches.
In diesem Kontext sei angemerkt, dass der amerikanische Künstler Ed Ruscha, der laut Anne-Moeglin Delcroix einer der beiden Erfinder des Künstlerbuchs darstellt, mit Laienfotografien gearbeitet hat30. Das Wesentliche liegt weniger in der Fotografie selbst als in der Objektdimension, die das Bild darstellt und erreicht: „The photograph by itself doesn’t mean anything to me. It’s the gas station that’s the important thing31.“ Durch die Verwendung dieser auf dem ersten Blick unbedeutenden Bilder im Buch gelingt es dem Künstler eine bestimmte ästhetische Erfahrung zu erzeugen32, denn das Künstlerbuch entspricht auch einem gewissen Format, in welchem der Künstler den ganzen Produktionsprozess übernimmt.
„Neither an art book (collected reproductions of separate art works) nor a book on art (critical exegeses and/or artists’ writings), the artist’s book is a work of art on its own, conceived specifically for the book form and often published by the artist him/herself. [...] Usually inexpensive in price, modest in format, and ambitious in scope, the artist’s book is also a fragile vehicle for a weighty load of hopes and ideals: it is considered by many the easiest way out of the art world and into the heart of a broader audience33.“
Bezüglich des Formats der „Cahiers d’images“ in Verbindung mit der obigen Definition knüpft die Zusammenarbeit von documentation céline duval und Hans-Peter Feldmann an die Reihe dieser Vorgehensweise des Künstlerbuchs, an die sich seit den1960er Jahren bekannt ist. Andererseits spiegelt die Anzahl der Publikationen, Kolloquien und Ausstellungen34 über die Wiederbenutzung dieser Bilder „déjà là“ eine Art von Zeitgeist wider. Wie wird dieser Zeitgeist im Zusammenhang mit dem Konzept und Format des Künstlerbuchs greifbar?
Céline Duval, Hans-Peter Feldmann, „Flying“, SS. 20-21.
Forschungsstand
Auch wenn Hans-Peter Feldmann versucht, seine Aura zu beschützen, geben seine regelmäßigen Ausstellungen immer neuen Anlass zu neuen wissenschaftlichen Publikationen und Forschungsarbeiten. Bei einer seiner letzten Ausstellungen in Deichtorhallen (Hamburg) wird der bedeutende „Katalog – Hans-Peter Feldmann“veröffentlicht35. Die Arbeit von documentation céline duval ist zwar bekannt, aber wurde bisher noch nicht in Deutschland erforscht. In Frankreich ist noch keine Monographie erschienen, aber die Künstlerin profitiert bereits von Artikeln und wissenschaftliche Aufsätze. Zu den „Cahiers d’images“ wurden einige kurzen Texte veröffentlicht. In „Sand in der Vaseline“ von Uwe Koch und Sabine Röder (2002) steht eine kleine Zusammenfassung dieser Zusammenarbeit36. Die Hefte stehen auch im „Buch#9“37, ohne begleitenden Text und sind sogar falsch datiert. Außer diesen seltenen Erscheinungen wurden die „Cahiers d’images“ nie richtig untersucht. Zudem weist der Forschungsstand darauf hin, was den Kontext und die Hauptthemen unseres Forschungsgegenstandes betrifft, dass noch keine übergreifende Publikation existiert, die die Praxis der Verwendung von Laienbildern im Künstlerbuch zusammenfasst. Es existieren zwar Auseinandersetzungen, die sie sich mit den Verhältnissen zwischen Fotografie und Künstlerbüchern befassen. Aber diese untersuchen vorrangig das weite Feld der Fotografie und nicht im Besonderen den alltäglichen Aspekt und die Verwendung dieser Bilder. Da ist zum Beispiel der Fall bei der relativ aktuellen Publikation von Hans Dickel (2008)38, welche eine Darstellung der Fotografien der Künstler, die sich als Fotografen betrachten, im Künstlerbuch anbietet. Weiterhin wird bei Schnappschüssen oft die künstlerischen Vorgehensweise erwähnt, aber ohne das Künstlerbuch als zentrales Thema zu behandeln39. Drittens stellen eine Reihe von Publikationen, die von prominenten Theoretikern wie Clive Phillpot, Ulises Carrión, Anne Moeglin-Delcroix, Leszek Brogowski usw. verfasst wurden, die gesamten Entwicklungen und Herausforderungen des Künstlerbuchs dar. Ab und zu erscheinen monographische Aufsätze, die den Laienaspekt im Mittelpunkt der Analyse aufgreifen. Letztendlich wird aber die zeitliche und historische Dimension dieser Entwicklung meist vernachlässigt.
Céline Duval, Hans-Peter Feldmann, „Rouge“, SS.12-13.
Fragestellungen und Gliederung
Aufgrund all dieser Publikationen, die nur Teilaspekte der „Cahiers d’images“ aufgreifen, steht der zeitliche Aspekt und der Generationsbegriff im Mittelpunkt dieser Arbeit. Ausgehend von Clive Phillpots Schema zu den verschiedenen Kategorien des Künstlerbuches, das zur Darlegung unserer Hypothese untersucht wurde [Abb. 1], kann der Begriff der Zeit zurückgegriffen werden, um die zeitgenössischen Herausforderungen der Verwendung der Bilder im Künstlerbuch zu begreifen40. Hans-Peter Feldmann gehört zum Ende der ersten Generation41 dieser Bewegung als documentation céline duval Ende der achtziger Jahren mit ihrer Arbeit anfängt. Die beiden Künstlergenerationen kommen bei einer Praxis zusammen, obwohl sie aus zwei unterschiedlichen sozialen, historischen und politischen Hintergründen stammen. Durch diese Zusammenarbeit42 wird eine vergleichende Studie in Betracht gezogen. So ergeben sich folgende Fragen: Welche Ähnlichkeiten und Unterschiede sind in ihren Werken bemerkenswert? Was für eine Sprache schaffen die Künstler zusammen?
So können die „Cahiers d’images“ als Ergebnis dieser intergenerationellen Zusammenarbeit helfen um die Hypothese zu überprüfen, ob sich die zeitgenössischen Herausforderungen des Künstlerbuchs durch die Verwendung von Laienbildern verändert haben. Was für eine Veränderung lassen die „Cahiers d’images“ in der Verwendung der Bilder erkennen, falls es überhaupt eine Veränderung gibt? Im Vergleich zur Bilderwelt von Hans-Peter Feldmann stellt sich ebenso die Frage, wie die Bilder bei documentation céline duval zu betrachten sind und welche Lösungen zwischen diesen zwei Welten in den „Cahiers“ zu finden sind. Auf zeitgenössischer Ebene muss untersucht werden, was dann überhaupt die Verwendung dieser Bilder im Künstlerbuch ausmacht? Der Status der Bilder hat eine geringere Bedeutung als ihre Verwendung in den „Cahiers d’images“ und die Folge für das Künstlerbuch. So stellt sich weiterhin die Frage: Was veranlasst die Verwendung solcher Bilder für die Form des Künstlerbuchs? Es muss noch herausgestellt werden, welche von beiden sich zwischen dem Bild und dem Künstlerbuch als Form behaupten kann, während das Trennen von den Künstlern sich auf ein Missverständnis über den Bildersinn zu beruhen scheint. Nach dem siebten Heft hören nämlich die Künstler auf, zusammen zu arbeiten. Dies führt uns zu der Kernfrage: Inwieweit wirkt sich das Scheitern der Zusammenarbeit auf die Kunst und erhellend auf das Verständnis der ikonografischen Praxis im Künstlerbuch aus?
Diese Fragestellungen erfordern es sich auf eine disziplinübergreifende Methode zu stützen. Die Analyse zielt darauf ab, ein sich bewegendes Phänomen in seiner Spannung zu verstehen. Dadurch werden neben der Fotografie andere Bereiche der Kunst wie das Kino einbezogen sowie Bereiche über die klassische Kunstgeschichte hinaus wie die Bildwissenschaft, die Soziologie oder auch die Anthropologie mit eingebunden. In einem ersten Schritt sollen die „Cahiers d’images“ in der Kontinuität einer Tradition des Künstlerbuchs, das mit Laienbildern hergestellt ist, analysiert werden. Dies soll dazu dienen, der Kontext, die Struktur, die Grammatik und die Schwerpunkten zu erläutern, und die Form dieser Zusammenarbeit hinzudeuten. Die Vorgehensweise des Künstlerpaares soll dann unsere Aufmerksamkeit darauf lenken, dass sie zwei unterschiedliche Bilderbetrachtungen verfolgen, die bereits in jeder ihrer eigenen Arbeiten zu erkennen ist. Das Scheitern der Zusammenarbeit gilt aber allgemein sowohl als positiv als auch als negativ. Jede Bildbetrachtung löst die Trennung der Zusammenarbeit aus. Die Kraft der Bilder erreicht eine solche Position in der Zusammenarbeit, dass das Bild als Form geworden verhindert, dass die Künstler das Buch als Form weiter herstellen. Die Tatsache, dass die Künstler die Herstellung der „Cahiers“ aufhören, deckt jedoch den Prozess einer künstlerischen Selbstbehauptung auf. In einem letzten Teil soll schließlich ergründet werden, was, als „das Schicksal“ der ikonografischen Praxis im Künstlerbuch genannt wird. Während auf die Diskrepanz zwischen der Bildbetrachtungen hingewiesen wurde, soll geprüft werden, inwieweit die „Cahiers“ sich in der zeitgenössischen Herausforderungen einschreiben. Hier soll zuletzt gezeigt werden, dass das Scheitern der „Cahiers“ im Vergleich zu einem gewissen Wendepunkt im Herstellung -und Verwendungsprozess der Praxis als positive Kraft bezüglich des künstlerischen und autonomen Charakters des Künstlerbuchs wirkt.
* Introduction au mémoire de recherche Les Cahiers d'images de documentation céline Duval et Hans-Peter Feldmann. Etude d'une collaboration intergénérationnelle et de la pratique iconographique contemporaine dans le livre d'artiste. Internationaler Master für Kunstgeschichte und Museologie, Université Ruprechts Karl Heidelberg, Allemagne, Juillet 2014.
1. BRETON, André: Nadja. Paris 1964. S. 117.
2. Wie herman de vries wünschte die Künstlerin, dass ihr Name immer klein geschrieben wird, denn sie jegliche Hierarchie verweigert. Siehe DUPEYRAT, Jérôme: „Entretien avec Céline Duval“, in: 2.0.1 Revue de recherche sur l'art du XIX au XXIe siècle. Sonderausgabe „Revues d'artistes" (Februar 2010), Stand Juli 2014 <www.revue-2-0- 1.net> (29.07.2014). S. 1.
3. Sie fängt das Projekt mit der Sammlung von Bildern an, die sie in ikonografischen Kategorien ordnet. Bis zu 2010 erweitert sie diesen bildnerischen Bestand und entscheidet die Bilder zu brennen und Videos von dieser Geste zu machen.
4. 2011 stellt sie in Wien, 2009 in Madrid, 2008 in New-York aus. Zur ausführlichen Liste ihrer Ausstellungen siehe die Webseite der Kunstgalerie Semiose Paris, die ihre Arbeit in Paris vertrete.
5. Hans-Peter Feldmann hat erstens die Malerei studiert.
6. Junge Künstlern wie Gunther Uecker und die ZERO Gruppe, Gerhard Richter, Sigmar Polke, Diether Rother, Blinky Palermo aber auch französische Mitglieder der Nouveaux Réalistes wie Yves Klein üben einen besonderen Einfluss auf Hans-Peter Feldmann aus. Siehe LIPPERT, Werner. Hans-Peter Feldmann. Das Museum im Kopf. Köln 1989. S. 28.
7. Ibid., S. 28.
8. Feldmann hat einen Laden für Antiquitäten und Geschenkartikel gehabt. Dann hat er einen Laden speziell für Fingerhütte eröffnet. Siehe TATAY, Helena (Hrsg.): Hans-Peter Feldmann – Katalog. London 2012.
9. Diese ersten Werke realisiert er zwischen 1968 und 1976. Jedes Heft fasst ein oder mehrere banale Bilder von einem gleichen Objektsort, ohne Text zusammen. Sie sind wahrscheinlich den berühmtesten Teil seines Werkes wenn nicht sogar den wichtigste darstellt.
10. 1989 stellt er im Portikus Museum in Frankfurt. Siehe TATAY, Helena (Hrsg.): 272 Pages. Barcelona 2001.
11. Der Künstler verweigert sich ein richtiges Lebenslauf zu liefern und hält einen gewissen Distanz der Interviews gegenüber.
12. Siehe TATAY 2001 S. 222. Siehe Anhänge S. 39.
13. Die erste Ausgabe wurde 1994 veröffentlicht. Die letzte Ausgabe erschien 2014.
14. Siehe das Gespräch von Antoinette Jattiot mit documentation céline duval. Juni 2014. Anhang SS. 40-61.
15. Siehe Anhang S. 39. In dem Bericht handelt es sich um « a finely bound handmade album ». Es handelte eigentlich sich um ein einfaches Kartonheft im Handel gefunden. Mehrere Elemente weisen darauf hin, dass die Erzählung einige Beschönigungen enthält.
16. Pierre Leguillon (geboren 1969 in Paris) ist ein französischer Künstler und war damals der Lebenspartner von documenation céline duval.
17. Hans-Peter Feldmann arbeitet von 1995 bis zu 1996 mit Uschi Huber, Jörg Paul Janka, und Stefan Schneider in den sechs ersten Ausgaben des Fotomagazins „Ohio“. Ohne Text versammelt das Magazin Amateur – und gefundenen Bilder.
18. Siehe das Gespräch op. cit., S. 40.
19. Zitiert nach TATAY 2001 S. 222.
20. In Cneai, Centre National Edition Art Imprimé (Chatou, Frankreich) fand die Ausstellung „Jean-Pierre Magazine“ statt. Hans-Peter Feldmann und die Direktorin Sylvie Boulanger laden Amateurfotografen ein, um diese Zusammenarbeit zu schaffen. Siehe das Katalog FELDMANN, Hans-Peter (Hrsg.): Jean-Pierre Magazine. Chatou 2001.
21. Siehe das Gespräch op. cit., S. 41. „Maxime Sigaud – maintenant décédé - qui faisait également partie de Jean- Pierre Magazine, collectionnait des cahiers qu’il appelait ‚Les écritures silencieuses’ réalisés par des amateurs qui faisaient des cahiers d’ado, des recettes de cuisine. Il achetait tout ce qui était home made, il avait un très beau dictionnaire de fan, truffé d’images rajoutées et il avait une librairie de livres d’occasion d’art dans la galerie des frères Donguy.“ Zudem hatten sie sich befreundet, weil Céline Duval ihm die Büchersammlung ihres Großvaters, der Historiker war, verkauft hatte.
22. Zitiert nach dem Gespräch op. cit., S. 42.23 Siehe Fußnote 19.
24. Zitiert nach dem Gespräch op. cit., S. 43.
25. STARL, Timm: Knipser. Die Bildgeschichte der privaten Fotografie München u.a. 1995. Laut Starl handelt es sich um einen spezifisch historischen deutschen Begriff, sowie in anderen Sprachen andere Ausdrücke existieren. S. 13.
26. Zitiert nach CHEROUX, Clément: Vernaculaires. Essais d’histoire de la photographie. Cherbourg 2013 S. 10.
27. In dem Sinn von Michel Foucault bedeuten Heterotopien „wirkliche Orte, wirksame Orte, die in die Einrichtung der Gesellschaft hineingezeichnet sind, sozusagen Gegenplatzierungen oder Widerlager, tatsächlich realisierte Utopien, in denen die wirklichen Plätze innerhalb der Kultur gleichzeitig repräsentiert, bestritten und gewendet sind, gewissermaßen Orte außerhalb aller Orte, wiewohl sie tatsächlich geortet werden können“ in: FOUCAULT, Michel: Andere Räume. 1967.
28. Die „Amateurfotografie“ spiegelt schon zu stark eine soziale Gruppe von Personen wider. Der Begriff von der Laienfotografie ermöglicht mit einem weiteren Feld von Herstellern sich zu beschäftigen und die Fotos der Künstler entsprechend beizufügen.
29. CHEROUX 2013. S. 19.
30. Siehe MOEGLIN-DELCROIX, Anne: Esthétique du livre d’artiste. Une introduction à l’art contemporain. Paris 2012. S. 24.
31. RUSCHA zitiert nach PHILLPOT Clive: Booktrek. Zürich 2013. S. 215.
32. Ibid., S. 193.
33. LIPPARD, Lucy R.: „The Artist’s Book Goes Public“ in : LYONS, Joan (Hrsg.): Artists’Books. A critical Anthology and Sourcebook. Layton 1985. S. 45.
34. Zu einem Bericht der Publikationen und Ausstellungskataloge siehe z.B. BATCHEN, Geoffrey:„Les snapshots“ 2008, die einen guten internationalen Übersicht auf das Thema liefert. Was die Kolloquien betrifft, siehe CRIQUI, Jean-Pierre : L’images déjà là. Paris 2011. Für Ausstellungenbeispiele siehe MORAND, Sylvain (Hrsg.) : Instants Ananoymes, Strasbourg 2008.
35. Das Katalog enthält unter anderem ein neues langes Gespräch mit Hans-Ulrich Obrist. Das andere wichtige Katalog ist für uns die Publikation TATAY, Helena: 272 Pages. Barcelona 2001.
36. Das Heft „Rouge“ steht übrigens auf dem Cover der Publikation KOCH, Uwe u. RÖDER, Sabine (Hrsg.): Sand in der Vaseline: Künstlerbücher II, 1980-2002. Köln 2002.
37. SCHUBE, Inka (Hrsg.): Buch#9. Köln 2007.
38. DICKEL, Hans: Künstlerbücher mit Photographie seit 1960. Hamburg 2008.
39. Siehe z.B. BATCHEN, Geoffrey: „Vernacular photographies“ in: History of Photography 2000 ; CHEROUX 2013; AIGNER, Carl (Hrsg.): Snapshots: Christian Skrein - the eye of the century. Ostfildern 2004.
40. Siehe das Schema und der neue Entwurf der Verfasserin. Anhang S. 3.
41. Ed Ruscha und Diether Roth wären die ersten dieses Wendepunktes. Das erste Buch von Dieter Roth ist im Jahre 1954 hergestellt.
42. Das Wort Zusammenarbeit wird oft in der Auseinandersetzung verwendet. Als Grundkonzept unser Auseinandersetzung gilt es jedes Mal als Bezeichnung des Projektes und der Beziehung von documentation céline duval und Hans-Peter Feldmann.